Eine Eigenbau parallaktische Montierung für mein 14″ Meade

Prolog

Die Maßnahmen Anfang der zwanzig zwanziger Jahre prägten sicherlich viele Menschen nachhaltig und brachte nicht wenige dazu ziemlich merkwürdige Dinge zu tun. So war es nicht verwunderlich das eine Person mittleren Alters dem Alltag entfliehen wollte und den Entschluss faste sein theoretisches Wissen aus TV-Sendungen wie „Das Universum“ und „Die Planeten“ wahrhaftig werden zu lassen. Wie er das umsetzten wollte, wusste er genau! Er besuchte mit ein paar Bestechungsbieren einen alten Bekannten und kam wenig später mit einem ungenutzten und aus den Tiefen des Kellers kommenden, Teleskops wieder nach Hause.

Zuhause angekommen stellte er das Teleskop auf und wartete gespannt auf die erste klare Nacht. Das Fokussieren war kein Problem, dass kannte er ja aus den vielen öffentlichen Fernrohren, aber für was der ganze Rest am Teleskop sein sollte, war im schleierhaft.

Diese Person war natürlich ich und die erste Nacht blieb mir trotz dem Fernbleiben von Planeten und Deep Sky Objekten als überwältigend in Erinnerung. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele und farbenfrohe Sterne gesehen. Durch das Teleskop sah man ein Meer an Sternen, die dem bloßen Auge verborgen blieben. Einige schimmerten bläulich, andere wiederum rötliche und wieder andere einfach nur in einem klaren weiß. Aber da gab es doch noch mehr? Habe ich doch von Galaxien, ominösen Sternhaufen und Planeten gelesen. All das soll man ja auch beobachten können, wenn man weiß wie.

An praktischer Hilfe war während der Coronazeit nicht zu denken. Die üblichen Anlaufstellen wie Sternwarten oder Vereine wurden ja zu Sperrgebieten erklärt und Freunde oder gar Bekannten die so ein exotisches Hobby ausführten gab es nicht. Ich musste den Einstieg also irgendwie alleine schaffen.

Die dümmsten Bauern…

In beinahe Rekordzeit eignete ich mir über Bücher, Foren und anhand einiger im Internet verfügbaren Videos, ein solides Grundwissen an. Ein paar Wochen später wurde ich dann auch mit dem Besten was dieses Hobby zu bieten hatte belohnt. Ich sah Jupiter mit seinen Wolkenbänder und Saturn mit seinen majestätischen Ringen! Ich glaube so ein befriedigendes Gefühl werde ich in meiner astronomischen Laufbahn kein zweites mal erleben.

Natürlich erkannte ich schon bald das mit dem angestaubten alten Teleskop kein Blumentopf zu gewinnen sei und so tauschte ich den alten Achromaten gegen ein solides Spiegelteleskop mit stabiler Montierung.

Im Grunde war ich mit meinem Setup ganz zufrieden und erweiterte dieses noch durch eine alte Kamera und ein paar Okulare. Eigentlich könnte die Geschichte an dieser Stelle Enden, wäre ich nicht viel zu früh an ein viel zu großes Teleskop gekommen. Bei einem ganz normalen Sonntags-Verdauungsspaziergang, entdeckte ich in einem Vorgarten eine etwas betagte Gartensternwarte. Ich war natürlich total neugierig und dank meiner Frau kamen wir auch mit der Besitzerin ins Gespräch. Nun ja, der Rest ist eine von mir schon erzählte Geschichte und von heute auf morgen war ich stolzer Besitzer einer Gartensternwarte samt 14 Zoll Schmidt-Cassegrain Teleskop.

Der Erstkontakt

Die ersten Tage verbrachte ich dann damit meine neue Gerätschaft besser kennenzulernen. Bis dato waren Schmidt-Cassegrain Teleskope schon rein finanziell uninteressant für mich gewesen und daher musste ich mich zuerst einmal mit den Eigenheiten eines solchen Gerätes vertraut machen. Es stellte sich heraus das der 14 Zöller einen lockeren Fangspiegel besaß und ich so gar keine Ahnung hatte wie man diesen wieder befestigen könnte. In meiner Not landete ich dann auf der Webseite einer benachbarten Sternwarte und rief dort auf gut Glück an. Glücklicherweise hob doch tatsächlich am anderen Ende jemand ab, dem ich dann auch gleich mein Leiden vortrug. Mit „Das ist kein Problem. Am besten rufst du Gerald an. Der kann dir da weiterhelfen“ bekam ich auch eine befriedigende Antwort.

Also rief ich diesen ominösen Gerald an und war super überrascht das dieser mich dann einlud mit Sack und Pack zu ihm zu kommen. Natürlich tat ich das dann auch und noch bevor ich so richtig wusste was los war, lag mein Teleskop zerlegt vor mir auf seiner Werkbank.

Als Anfänger hatte ich während meines Besuchs sehr viele Fragen und er glücklicherweise noch mehr Antworten. Irgendwann zwischen spülen der Schmidtplatte und dem befestigen des Fangspiegels, erzählte mir Gerald von seinen vielen Eigenbauten die neben Montierungen auch Teleskope umfasste.
„Der Typ baut also auch eigene Teleskope“, dachte ich mir. Solche Leute kannte ich bisher nur aus Zeitschriften und dem Internet, dass ich aber selber so einen zu Gesicht bekomme, hätte ich nicht für möglich gehalten. Die Tatsache das er neben Teleskopen auch eigene Montierungen gebaut hatte, war für mich zu diesem Zeitpunkt uninteressant. Für mich dienten seinerzeit Montierung nur dazu, um ein Teleskop möglichst wackelfrei in der Luft zu halten. Alleine daran könnte man schon gut erkennen wie weit mein Kenntnisstand damals war. Jedenfalls fuhr ich irgendwann Spätabends mit einem gereinigten und reparierten Schmidt-Cassegrain Teleskop nach Hause.

Machen wir einen kleinen Zeitsprung. Der Besuch bei Gerald lag gut und gerne zwei Jahre zurück und ich konnte mein astronomisches Wissen seither bedeutend erweitern. Mittlerweile schlich sich neben der überwiegend visuellen Beobachtung und der Planetenfotografie, auch eine vorerst anspruchslose Astrofotografie ein. Nach und nach wuchs natürlich auch der Wunsch nach einer parallaktischen Montierung und hier fiel mir glücklicherweise das Gespräch mit Gerald wieder ein. Also machte ich mich darüber mehr über sein damaliges Projekt zu erfahren.

Die Saga um die Petrus Montierungen

Die nachfolgende Geschichte besitzt neben dem was ich erfahren konnte natürlich auch künstlerische Freiheiten in der Erzählweise, aber im Großen und Ganzen wird es sich schon so in etwa zugetragen haben *grins*.
Es war so um das Jahr 2008, als sich ein begeisternder Amateurastronom, Tausendsassa und Alleskönner, über die schwache Leistung transportabler parallaktischer Montierungen ärgerte. Es gab zu diesem Zeitpunkt zwar schon die EQ6 und vergleichbare Modelle, aber für Teleskope jenseits der 20 Kilogramm Marke gab es nichts was sich auch über Feld und Wiesen tragen ließe. Zumindest nichts was sich noch finanziell mit der Anschaffung einer Freizeitbeschäftigung erklären lässt. Das war für Gerald schon Grund genug um über eine mobile Eigenbaulösung nachzudenken. Nach etlichen Monaten des Tüftelns erschien dann seine erste Montierung Namens „Petrus“. Diese „Petrus“ konnte spielerisch mit hohen Lasten umgehen, erwies sich aber aufgrund des hohen Gewichts als „grober Klotz“ und eher untauglich für den mobilen Einsatz.

Also hieß es zurück an die Werkbank und für die nächste Version erdachte Gerald sich ein teilbares Modell. Bei dieser Version ließen sich mit nur wenig Aufwand die Deklinations- und Rektaszensionsachse trennen. Das macht die Montierung zwar insgesamt nicht leichter, aber bedeutend transportabler.

Dem Prototypen der zweiten Version gelang es dann auch auf Anhieb Teleskope jenseits der 30 Kilo zu führen und das sogar fotografisch.

Insgesamt lag die Aufmerksamkeit bei der Produktion auf Wertigkeit und Mobilität. So kam ein gefrästes Aluminiumgehäuse und nicht wie üblich ein günstiger Aludruckguss zum Einsatz. Bei den Schneckenradsätzen wurde auf eine Stahl/Bronze Legierung mit nur wenig Toleranzen gesetzt und die Achsen besaßen einen Durchmesser von 60mm. Die Steuerung übernahm die Elektronik aus der EQ6 Goto.

Der Antrieb

Vielleicht weil es sich nur um ein Hobby handelte oder weil sich die EQ8 am Horizont zeigte, jedenfalls hatte Gerald nur fünf dieser handgefertigten Montierungen in die freie Welt entlassen. Die meisten dieser Montierungen sind immer noch im Einsatz (vielleicht sogar noch alle) und geht es nach einem Besitzer der Montierung, erfreuen sich diese noch großer Beliebtheit.

Wiederbelebung eines Prototypen

Mit diesem Wissen im Rücken, fragte ich bei Gerald nach einem Besichtigungstermin Das war für ihn natürlich kein Problem und so machten wir ein paar Tage später einen Termin bei ihm aus. Er wies mich aber auch gleich darauf hin, dass ich erst gar nicht nachfragen bräuchte, denn seine ihm letztgebliebene Montierung sei absolut unverkäufliche.

Als ich dann am besagten Abend bei ihm ankam, stand auch schon alles fix und fertig aufgebaut im Garten. Der Astronomie-Gott meinte es gut mit uns, denn es war kein einziges Wölkchen am Himmel. Also wählten wir mit der Handsteuerbox das erste Objekte aus und als die Montierung mit der typischen EQ6 Geräuschkulisse losfuhr und das Ziel absolut ruckelfrei erreichte, war ich voller Begeisterung. Die Montierung wirkte äußerst stabil! Kein Wackeln und kein Aufschaukeln, egal in welcher Position und das trotz des aufgeschnallten Gewichts von knapp über 30 Kilogramm. Es bestand für mich kein Zweifel, diese Montierung spielte definitiv in einer ganz anderen Liga als meine Original LX200GPS.

Aufgesattelter 30kg Eigenbau Newton

Logischerweise wurde meine alte Montierung auch ein Gesprächsthema an diesem Abend und ich verzichtete natürlich nicht darauf mich deshalb immer wieder selbst zu bedauern. Mein erbärmliches Gejammer schien über kurz oder lang Wirkung zu zeigen, denn irgendwann erzählte Gerald mir doch von einem zerlegten Prototypen bei ihm im Keller. Das wollte ich natürlich genauer wissen, woraufhin Gerald mir erzählte das dieser Prototyp seinerzeit als eine Art Blaupause für die finalen Montierungen diente. Genaugenommen sei sie bis auf ein paar optischen Unterschiede identisch zu diesen und theoretisch auch voll einsatzfähig.

Ab diesen Zeitpunkt war ich wie besessen von der Idee diesen Prototypen wieder zu einer vollwertigen Montierung zu machen und so nahmen wir das zerlegte Exemplar in Augenschein. Prototypen typisch besaßen die Gehäuseteile kein „Finishing“ und wurden daher weder oberflächenbehandelt noch lackiert. Die vorhanden Lager waren zwar nicht die besten, würden aber ihren Zweck erfüllen. Davon abgesehen könnte man sie zusammenbauen und in Betrieb nehmen.

Man könnte sie aber auch von Grund auf überholen, dann würde man die vorhandenen „mittelmäßigen“ Bauteile gegen hochwertige ersetzen und die Gehäuseteile nachbearbeiten. Das wiederum würde die Arbeitszeit und vor allem die Kosten nach oben treiben, was aber zum überlegen sei.

Als verheirateter Mann kann und darf ich so etwas natürlich nicht selber entscheiden und die nächsten Tage verlagerte sich mein Gespräch ins heimische Wohnzimmer.
Anscheinend habe ich den letzten 30 Jahren einiges richtig gemacht, denn es dauerte nicht lange und ich konnte Gerald berichten das Geld vorerst eine untergeordnete Rolle spielen würde. Er mich aber sicherheitshalber auf den laufenden halten solle.

Die nächsten Wochen arbeitete Gerald beinahe in jeder freien Minute an der Montierung. Es wurden hochwertige Schrägkugellager verbaut und die gefrästen Gehäuseteile nachgebessert und teilweise erneuert. Über jede Aktion wurde ich auf den laufenden gehalten und rückblickend fühlt es sich beinahe so an, als ob es bei Gerald um mehr als nur „eine weitere Montierung“ ging. Ich denke er wollte es sich selber beweisen und nochmal alles aus dem Prototypen herauszuholen – so kam es mir zumindest vor.

Während also Gerald wie verrückt an der Montierung herummachte, blieb ich nicht untätig. Ich durfte auch einen kleinen Teil zur Wiederbelebung beitragen und so baute ich mein Teleskop aus der alten Montierung aus und bastelte mir eine stabile Teleskopaufnahme.

Die Wochen vergingen und so langsam verwandelte sich der einstige Prototyp zu einem vollwertigen Produkt. Als es dann um das „Finishing“ ging, entschieden wir uns für eine Pulverbeschichtung in einem eleganten Dunkelgrau.

Ein paar Tage später war es dann auch soweit und meine mit neuen Komponenten ausgerüstete und oberflächenvergütete Montierung lag vor mir auf den Küchentisch.

Von Prototypen keine Spur

Für die Montage wurde auch eine Betonsäulenerhöhung angefertigt, da die ursprüngliche Höhe für eine parallaktische Montierung viel zu niedrig war.
Die Betonsäulenerhöhung erhielt natürlich den gleichen Farbanstrich (Pulverbeschichtung) wie der Rest, denn am Ende sollte ja alles wie aus einem Guss wirken.

Nachdem die Erhöhung angeschraubt und die Montierung aufgesetzt und grob in Richtung Norden ausgerichtet war, fiel mir das erste mal so richtig auf wie hochwertig und professionell doch die Eigenbaumontierung aussah.

Als letztes kam dann natürlich noch meine Eigenbau Klemme zum Einsatz und verband die Montierung fest mit dem Teleskop.

Die nächsten Tage verbrachte ich damit ein vernünftiges Kabelmanagment zu verlegen. Für diesen Zweck besorgte ich mir die Pocket Powerbox Advance* von PegasusAstro, was den Kabelverhau auf ein Minimum reduzierte.

Es dauerte dann noch einige Tage bis es endlich aufklarte und ich die Montierung so gut es ging einnorden konnte. Das anschließende 3-Sterne Alignment klappte ohne Probleme und ich habe es mir nicht nehmen lassen einen Autoguiding-Test durchzuführen.
Mit einem total RMS von etwa 0,5 Bogensekunden bin ich super zufrieden für das erste Ergebnis, zumal ich an der Guiding Software keinerlei Optimierungen durchgeführt habe und meine Montierung noch nicht hundertprozentig eingenordet ist.

Irgendwann wird die Montierung noch richtig eingescheinert, aber dafür muss es erst ein paar Grad wärmer werden. Für einen Amateurastronom mit südeuropäischer Herkunft sind minus Acht Grad mindesten 20° von einer vernünftigen Arbeitstemperatur entfernt.
Dennoch bin ich bisher Megazufrieden mit der Eigenbaulösung und überglücklich das alles so gut geklappt hat. Es war halt doch ein kleines Unterfangen bei meinen finanziellen Möglichkeiten auf eine „selbstgemachte“ Montierung zu setzten. Umso mehr bin ich glücklich das dieses Wagnis geklappt hat und ich preislich weit unter einer EQ8 geblieben bin.

CS, Dimi

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