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„Der Klassiker aus vergangenen Zeiten gehört mit zu den ältesten Konstruktionen und findet sich nur noch in sehr preisgünstigen Geräten wieder„.
Dieser Satz liest sich nicht nur nichtgut, sondern traf leider auch exakt auf mein vorhandenes Equipment zu. Als mein Gewissen das gelesen hatte, konnte es gar nicht anders als meinen Verstand mit „du brauchst Neue, los jetzt, kauf endlich Neue!“ zu überrumpeln. So war es dann auch und ein paar Minuten später fand ich mich vertieft in der Recherchearbeit zu neuen Okularen wieder.
Her mit der Dose
Als unerfahrener Einsteiger, der ich nunmal bin, wusste ich aber so gar nicht welche Brennweite nun am sinnigsten für mich und vor allem für mein Teleskop wäre. Es gibt zwar die Möglichkeit sich virtuell eine beliebige Teleskop/Okular Kombination anzeigen zu lassen, aber es bleibt halt doch „nur“ ein Illustrierter theoretischer Wert. Letzen Endes weiß man nicht wirklich ob die veranschaulichte Vergrößerung auch so wahrgenommen wird.
Die nächste kleine Hürde ist natürlich die Anzahl der Okulare und der Preis den man bereit ist zu zahlen. Ich sag mal so, wenn man sich mehr als zwei Okulare besorgen möchte und das muss ich nunmal, bietet sich natürlich so ein Komplettset an. Die Online-Einkaufswelt hat einige dieser Starter-Sets zu bieten. Mal etwas günstigere und mal etwas teurere, mal welche nur mit Okulare und mal mit einem bunten Sammelsurium an mal mehr mal weniger wichtigen Utensilien.
Nach einer kurzen aber intensiven Recherche (siehe Artikel), bin ich letztlich an den „Baader Q-Turret Okularsatz“* hängen geblieben.
- Der Baader Q-Turret Okularsatz bietet maximalen Bedienkomfort und ein breites Spektrum an Vergrößerungen in einem...
- Die Okulare bieten außergewöhnliche Schärfe und Kontrast, 50° Eigengesichtsfeld, scharfe Feldblenden und eine...
Würde man jetzt rein nach der Sternebewertung auf Amazon gehen, könnte man meinen das der Satz höchstens guter Durchschnitt ist. Liest man sich die Rezessionen (Amazon) aber durch, erfährt man das sich die schlechten Bewertungen nur auf den beiliegenden Okularrevolver beziehen, nicht aber auf die Okulare selbst. Bei der Einzelbewertung kommen die Okulare wieder ganz gut weg.
Der Hauptgrund für den Kauf waren aber nicht nur die Rezessionen bei Amazon, sondern auch so einige Forenbeiträge. In denen kommen die Orthos meist sehr gut weg und werden teilweise als die „besten in ihrer Preisklasse“ beschrieben.
Lieferumfang und technische Daten
Öffnet man die mitgelieferte Blechbüchse, welche von Baader „Astro Box“ genannt wird, kann man darin folgendes Zubehör finden:
- Okulare Classic Ortho in 6, 10 und 18 mm
- Plössl Okular in 32mm
- Eine 2.25x Q-Barlow Linse
- verschiedene aber zu wenig Staubkappen
- geflügelte Augenmuscheln
Bis auf das Plössl Okular (50°) bieten alle Okulare ein Gesichtsfeld von 52°. Der Augenabstand variiert von Okular zu Okular und wird vom Hersteller wie folgt angegeben.
- 5mm beim Classic Ortho mit 6mm Brennweite
- 8mm beim Classic Ortho mit 10mm Brennweite
- 14,67mm beim Classic Ortho mit 18mm Brennweite und
- 21mm beim Classic Plössl mit 32mm Brennweite
Geraden bei dem 6mm Okular ist der Augenabstand doch sehr gering, was Brillenträger vermutlich nicht so toll finden. Dafür ist der Blinkwinkel für orthoskopische Okulare wiederum recht groß, dieser liegt normalerweise bei etwa 40° – 45° und nicht wie hier bei üppigen 52°.
Die im Lieferumfang befindliche Barlow-Linse besitzt eine Vergrößerung von 2,25, was sich zwar sehr seltsam liest, aber den Vorteil hat das keine Brennweite doppelt vorkommt. In der Kombination mit der Barlow Linse ergeben sich dann folgende Brennweiten:
- 2,7mm (mit Barlow),
- 4,5mm (mit Barlow),
- 6mm,
- 8mm (mit Barlow),
- 10mm,
- 14mm (mit Barlow),
- 18mm und
- 32mm.
Mein erster Eindruck
Geliefert werden die „Orthos“ in einer Blechdose die mir, gelinde gesagt, am Popo vorbei geht. Ein einigermaßen salonfähiger Koffer wäre mir hundert, ach was tausendmal lieber gewesen. Dafür hätten sie auch gerne ihren Okularrevolver behalten dürfen und einen vernünftigen Satz an Staubkappen mitliefern können, denn davon gibt es zu wenige, zumindest wenn man die Okulare nicht immer wieder im Revolver wegpacken möchte.
Der Okularrevolver selber besteht aus ein bisschen Metall (Okularaufnahmen) und einen relativ robusten Kunststoff. Insgesamt fühlt sich der Revolver so recht hochwertig an.
Die Okulare selber sind Homofokal, so muss man beim Okularwechsel nur noch fein oder gar nicht nachjustieren. Außerdem sind alle Okulare mit einer HT-MC-Vergütung (High Transmission Multi-Coating) versehen, welches für ein noch kontrastreiches Bild und spiegelfreie Optik sorgen soll.
Die mehrfachvergütete Barlow-Linse mit einem Verlängerungsfaktor von 2,25 fach scheint gutes Mittelmaß zu sein, allzu viel kann man darüber im Internet nicht finden. Von der Haptik fühlt sich der metallene „Verlängerer“ hochwertig an.
Meine erste Praxiserfahrung
Ich gebe zu, als Okulartester bin ich jetzt nicht die erstbeste Wahl! Denn erstens bin ich absoluter Anfänger, zweitens habe ich als Vergleich nur meine Uralt Huygens daheim rumliegen und drittens scheint auch mein Teleskop in Sachen Optik nicht mal ansatzweise moderne Okulare auszureizen.
Dennoch bin ich genau die Zielgruppe die sich Baader vorgestellt hat, denn das Set richtet sich hauptsächlich an den Einsteiger und möchte durch eine hochwertig sinnige und nicht durch eine schiere Menge an Gegenständen punkten. Auf der Homepage des Herstellers findet man deshalb folgende Aussage:
Das Set wurde als sinnvolle Alternative zu den billigen Okularsets zusammengestellt. Statt auf Quantität in Form von sinnlosem Zubehör setzt es auf Qualität in Form von ausgesuchten, hochwertigen Teilen. Alle Teile sind auch separat erhältlich. Die Okulare werden in deutscher Qualitätsnorm und mit deutscher Qualitätskontrolle gefertigt. Sie werten Einsteigerteleskope auf und passen auch zu teuren Teleskopen.
Baader Homepage
In der ersten Testnacht konnte ich „nur“ einen genaueren Blick auf Jupiter, Saturn und den Mond werfen. Viel habe ich nicht erwartet, denn mein altes Bresser 70/900 Teleskop stellt hier eindeutig den Flaschenhals der Optik dar. Aber das macht ja nix, immerhin repräsentiere ich damit den klassischen Anfänger.
Das 32mm Plössl
Als sogenanntes Übsichtsokular, wanderte das Plössl als erstes in die Okularaufnahme des alten Refraktors. Der erste Blick hindurch öffnete mir im wahrsten Sinne des Wortes die Augen. Bisher hatte ich ja keine Ahnung wie geil so ein großes „Übersichtsokular“ sein kann. Mein bisher brennweitestes Okular (sagt man das so?) besitzt gerade einmal 20mm. Das 32mm Plössel hingegen ist Kino Pur! So eine Übersicht ist für mich eine ganz neue Erfahrung und macht das anvisieren der Objekte um einiges einfacher.
Ich möchte erst gar nicht wissen wie genial ein zwei Zoll Weitwinkelokular der gleichen Brennweite sein muss. Selbstverständlich nur dann, wenn man das passende Teleskop dazu hat. Am Ende hat sogar das einfache und „sinnlose“ umherschauen riesig Spaß gemacht.
Die Orthoskopischen Okulare
Wie schon erwähnt waren Jupiter, Saturn und der Mond mein Testobjekte für die Nacht. Alle drei Objekte hatten eine auffällige Zunahme an Kontrast, was so richtig im direkten Vergleich auffiel. Alleine die Abbildung des Mondes (10 mm Ortho vs. 12,5 mm Huygens) ließ mich beinah platzen vor Freude. Es wirkte alles so extrem viel plastischer und konturenreicher. Wenn ich nach einer passenden Assoziation suchen müsste, dann würde ich am ehesten den Vergleich zwischen alten LCD und modernen OLED hernehmen, wenn nicht gar iPhone 3 vs. iPhone 4 mit Retina Display.
Der Rest des Schützenfests
Der Okularrevolver ist für mich persönlich herausgeschmissenes Geld. Die Stabilität und der Drehmechanismus an sich sind in Ordnung und es funktionierte auch so wie vorgesehen, aber das Ding ist mir einfach zu klobig. Beim reinschauen störten mich irgendwie immer die anderen eingesteckten Okulare. Aus diesem Grund wandern bei mir die Okular einzeln in die Aufnahme. Das „Drehkarussell“ dient bei mir rein zur Aufbewahrung der Okulare.
Die Barlowlinse ist gut. Keine Ahnung ob sie jetzt wirklich super ist oder nicht. Besser als meine Alte ist sie auf jeden Fall. Zumindest dunkelt sie das Bild nicht ganz so deutlich ab wie diese, eine leichte Abdunklung ist dennoch wahrnehmbar.
Was sonst noch
Was gibt es über das Set sonst noch zu schreiben? Vielleicht etwas über die beigelegten geflügelten Augenmuscheln. Sie scheinen vom Material ganz angenehm zu sein, allerdings verwende ich keine „Augenringe“, dass ist aber mehr so ein persönlicher Tick von mir.
Natürlich muss ich noch die geile Astrobox erwähnen. Für mich macht eine solche Blechdose nur Sinn, wenn man sie als Sammlerbox ins Regal stellen möchte. Ein praktischer Nutzen entzieht sich mir komplett. Die Okulare müssen immer im Revolver gesteckt und verschraubt werden. Der Revolver muss dann in einer bestimmten Position in die Blechbüchse eingelegt und mit Schaumstoffblöcken stabilisiert werden. Ein Unding wenn man mich fragt.
Ansonsten geht es darin so beengt zu, dass ich lieber alles herausnehme und am Tisch Verteile. Das geht natürlich nur dann, wenn man einen Tisch in der Nähe hat. Schlecht sieht es da für jemanden aus der am Rübenacker spechteln möchte. Was auch noch doof ist, ist das fehlen weiterer 1,25 Zoll *Staubkappen. Diese müssen dann auch noch nachgekauft werden, was zum Glück nicht allzu teuer ist (Amazon Staubkappen*).
Glücklicherweise hat mich ein Leser darauf hingewiesen das ich Bullshit erzähle, denn es sind genügend Staubkappen vorhanden. Allerdings nur dann, wenn man die Augenmuschel dran lässt. Hierfür liegen extra größere Staubkappen bei und die kleineren können dann unten angebracht werden. Gefällt mir zwar nicht, weil sieht doof aus, hält aber alles Staubfrei.
Fazit
Leider wird den Okularen bei günstigen Teleskopen zu wenig Bedeutung beigemessen, dass merkt man aber erst, wenn man einen direkten Vergleich hat. Das Baader Q-Turret war bisher die sinnigste Anschaffung für mein altersschwaches Teleskop. Kam es mir damals bei der Montierung schon so vor als ob ich plötzlich ein anderes Teleskop besitze, ist es bei den Okularen nicht viel anders. Ein vernünftiger Okularsatz wertet ein (günstiges) Teleskop gehörig auf und die Baader Classic Orthos sind vernünftig. Die Auswahl ist sinnvoll und das Preis-Leistungsniveau passt. Der Astrobox hingegen kann ich so gar nichts abgewinnen, hier wäre mir ein Koffer lieber gewesen.
1 Gedanke zu „Ist das Baader Q-Turret Okularset eine sinnvolle Anschaffung? Grundsätzlich ja, aber…“