Die visuelle Astronomie – Ein Leben in der hintersten Reihe

Mir ist schon klar das ich mit diesem Artikel eine Kontroverse herbeirufen kann, aber vielleicht ist das von mir auch so beabsichtigt. Zumal es sicherlich erfahrenere visuelle Beobachter gibt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch jeder der sich Astrofotograf nennt versierter ist als ich. Dennoch wollte ich für mich wissen ob das altehrwürdige visuelle Beobachten dem zeitgenössischen digitalem Foto noch etwas entgegenzusetzten hat.

Natürlich kann niemand objektiv an das Thema herangehen, auch ich nicht. Jeder hat seine Vorlieben und seine persönliche Erfahrung mit diesem Thema gemacht. Ich selber bin überrascht wie viel ich noch heutzutage visuell beobachte, dass hätte ich mir vor zwei Jahren ganz anders vorgestellt.

Die Ausstattung bestimmt die Reise

Nicht ganz unschuldig an der astronomischen Entwicklung eines Hobbyastronom ist die Ausrüstung. Diese bestimmt schon grob welches der beiden Disziplinen man wohlwollender gegenübersteht. So gesehen lässt sich natürlich auch mit einem Ritchey-Chretien beobachten oder mit einem f13 Achromat Fotos machen, aber wirklich Freude wird dabei vermutlich nicht aufkommen. Zumal man sich so auch immer sinn- und zwecklose Eigenschaften einkauft. Stichwort: Geringeres Auflösungsvermögen bei großem Fangspiegel oder unnötig lange Belichtungszeiten bei einem langsamen Öffnungsverhältnis.

Irgendwo zwischen den beiden oben genannten, buhlen Newton und Schmidt-Cassegrain um die Gunst des Benutzers. Beide wissen nicht so wirklich zu welchem Genre sie gehören wollen und sind daher etwas kompromissbereiter als die Spezialisten. Es sind dann meist marginale Unterschiede die dem Astrofotografen oder dem Beobachter mehr zustehen. Ich persönlich würde beim visuellen Beobachten den hinteren Einblick eines Schmidt-Cassegrain dem seitlichen Einblick eines Newton immer vorziehen und beim fotografieren lieber ein schnelleres Öffnungsverhältnis wählen.

Astrokamera – Der Champion beim Ergebnis

Dennoch holen digitale Fotos selbst aus dem langsamsten Teleskop ein konturenschärferes Bild hervor, als man visuell dazu im Stande wär. Mein Schmidt-Cassegrain Teleskop zum Beispiel besitzt etwas mehr als 3,5 Meter Brennweite, mit einem relativ langsamen Öffnungsverhältnis von f10. Hinzu kommt die für Astrofotografie unzweckmäßige azimutale Montierung, die wegen der Bildfelddrehung eher unzufriedene Ergebnisse liefert. Man sollte also meinen das ich für die Beobachtung eindeutig im Vorteil wäre.
Dem ist aber nicht so! Ich kann mit diesem Teleskop fotografisch deutlich mehr Details aus einem Objekt herausholen, als es mir visuell möglich wäre!

Meade LX200 ACF 14″ f10 (356/3560)

Hier mal ein paar Vergleichsbeispiele welche mit dem oben genannten Teleskop gemacht wurden. Einmal fotografisch mit einer Standard APS-C Spiegelreflexkamera (EOS 1100D – unmodifiziert) und einmal visuell mit qualitativen Okularen (u.a. Explore Scientific 68°).

Messier 51 Whirlpool Galaxie wurde nur 56 Minuten lang belichtet und befand sich in einer eher unvorteilhaften Höhe von 30°, dennoch sind Details sehr gut erkennbar.
Visuell hatte ich an diesem Tag eher ein überdurchschnittliches Seeing und das Objekt war in einer angenehmen Höhe von 68°, trotz allem konnte ich die Spiralarme der Hauptgalaxie nicht wirklich differenzieren.

Messier 57 Ringnebel befand sich beides mal in knapp 60° Höhe. Belichtet wurde etwas weniger als eine Stunde. Leider konnte ich visuell den 15,8mag hellen Zentralstern nicht wirklich verbriefen, am Foto hingegen ist der Zentralstern deutlich sichtbar.

Das Foto von Messier 27 war eine meine ersten Astrofotos mit dieser Ausrüstung. Die Gesamtbelichtungszeit belief sich auf gerade einmal 10 Minuten, es ist schon verblüffend wie schnell eine Kamera im Vorteil ist.

Es gäbe noch einige Beispiele die ich aufzeigen könnte, aber allen gemein ist das selbst meine Ausrüstung detailreichere Abbildungen schaffen kann, als es mit der Beobachtung möglich wäre. Dabei bin ich ein lausiger Bildbearbeiter und mogle mich eher durch die Bearbeitungsprogramme.

Der Akt des Tuns

Visuell habe ich es in meiner Sternwarte wirklich angenehm! Kalter Wind, oder Wind im generellen stört mich nicht. Die Okulare sind nicht nur ordentlich aufgeräumt und griffbereit, sondern werden auch aufgewärmt dem Beobachter serviert (siehe Artikel). Störlicht gibt es quasi nicht und der gepolsterter Stuhl lässt Gesäße angenehm thronen. Im Großen und Ganzen besitze ich ein visuelles Sorglospaket unter einem Bortle 3,5 Firmament.

Trotz all dieser Annehmlichkeiten ist das fotografieren immer noch deutlich komfortabler. Das fängt schon bei der Beleuchtung an! Obwohl sich das in der Sternwarte befindliche Rotlicht dimmen lässt, ist es für eine ernsthafte visuelle Beobachtung immer noch zu hell. Einzig eine dunkle, aber für weißes Papier dennoch nicht blendfreie, Buchlampe ist das Maximalste was ich mir beim Beobachten erlauben darf.

Ganz anders bei der Astrofotografie. Hierfür musst du nicht erst 30 Minuten in völliger Dunkelheit deine Augen adaptieren lassen, sondern kannst gleich in einem angenehmen hellem Rotlicht deiner Arbeit nachgehen.

Ich habe zwar erwähnt das ich für die Beobachtung einen sehr bequemen Stuhl besitze, aber während der Beobachtung ist lümmeln nicht erlaubt. Klar kann man auf seinem Stuhl hin und her rutschen oder den Rücken mal strecken, aber die gleichen Freiheiten wie beim Fotografieren hat man nicht.

Ganz im Gegensatz zur Astrofotografie. Läuft die Technik und die ersten Fotos werden auf dem Monitor angezeigt, kann man eigentlich die Sternwarte auch gleich verlassen und es sich mit Netflix und Chips auf dem Sofa bequem machen. Die Technik macht alles von alleine. Hier und da wird man zwar mal nach dem Rechten sehen, mehr ist aber im Regelfall nicht zu tun.
Rüstet man sein Equipment mit einer Remotesteuerung aus, kann man sich sogar das noch sparen. Alles ist vom Sofa aus überprüf- und steuerbar. Mehr Couch-Potato geht nicht!

Visuell Beobachten ein Relikt?

Wäre die Astronomie eine olympische Disziplin, gäbe es einen klaren Sieger! Glücklicherweise ist die Astronomie mehr als nur Statistik und Normen, sie ist auch Emotional. Das fällt spätestens dann auf, wenn mal nicht alles Normal verläuft und so wie ein kleines defektes Kabel über den Erfolg oder Misserfolg eines Referats entscheiden kann, so entscheidet auch die Ausrüstung in der Astrofotografie über Gelingen und Misslingen.

Die Technik läuft nicht immer so wie man es gerne möchte und obwohl man alles so wie immer gemacht hat, funktioniert gar nichts! Die Kamera lässt sich nicht verbinden. N.I.N.A. bekommt keinen Autofokus hin. ASCOM erkennt eine Hardware nicht. Der OFF-Axis-Guider findet keinen Stern und trotz sorgfältiger Einnordung funktioniert das Autoguiding absolut unzufrieden. Sollte sich dann während der Aufnahme auch noch ein Kabel in der Ausrüstung verheddern, ist der Supergau perfekt.
An manchen Nächten könnte man glaube es läge ein Fluch auf einem und hier schlägt die Stunde der visuellen Beobachtung.

Der philosophische Aspekt

Weniger Technik heißt weniger Frust und während man bei der Astrofotografie noch unzählige dieser Frustmomente erlebt, ist es bei der visuellen Astronomie exakt umgekehrt.
Eine funktionierende Stirnlampe und ein arbeitender Stift! Mehr Fehlerquellen gibt es im Regelfall nicht. Noch während der erste Blick durchs Okular fällt, fällt einem auf wie hektisch doch dahingehend die Astrofotografie ist. Keine unzähligen Kabel müssen verbunden werden. Keine Software muss programmiert und überwacht werden und auch keine Zahlen und Kurvendiagramme kontrolliert werden.
Die Schnittstelle zwischen Mensch und Kosmos ist auf ein Minimum reduziert und die Immersion, ein Teil des Universums zu sein, so hoch wie nur möglich.

Noch während sich das Auge an die Dunkelheit anpasst, und so das beobachtete Objekt mehr und mehr seiner Konturen freigibt, ertappt man sich bei philosophische Fragen.
Was ist Entfernung? Gibt es Unendlichkeit? Ist alles nur Zufall oder beherrscht eine höhere Macht das Universum?
Unbewusst bündelt man seine Gedanken und Emotionen an einem Punkt im Okular. Man ist fokussiert, gelassen und zufrieden zugleich. Ein Gefühl das man so nur in der Dunkelheit der Nacht, mit dem beobachteten des einen einzigen Objektes erfahren kann. So eine Erfahrung sammelt man nicht vor dem Monitor! So etwas erlebt man nur visuell.

silhouette of person standing on a field under starry night
Photo by Thirdman on Pexels.com

Macht das jetzt die visuelle Beobachtung besser? Irgendwie Ja, aber auch irgendwie nicht. Der Klassiker halt!
Hat man nämlich seine Beobachtung beendet, und seine Skizzen angefertigt, ist man schneller wieder zurück in der Realität als einem lieb ist. Dann heißt es nämlich das gesehen auch festzuhalten. Natürlich würde ein reiner textbasierter Erfahrungsbericht oder eine Audioaufnahme während der Beobachtung ausreichen, aber eine Zeichnung macht es doch deutlich greifbarer.

In der Nachbearbeitung rücken die visuelle Beobachtung und die digitale Astrofotografie wieder näher zusammen als es die ursprüngliche Tätigkeit es vermuten lässt. Beides ist in irgendeiner Form Handwerk, egal ob man ein gestacktes Bild mühevoll stretcht oder eine vorhandene Notiz versucht bildlich aufs Papier zu bringen. Beides ist eine Kunstform die immer besser wird umso öfter man sie durchführt.

Mein Fazit

Letztlich bin ich zu dem Entschluss gekommen das selbst heute noch beide Arten der Astronomie gefällig und vor allem Situationsabhängig sind. Was möchte ich haben?
Möchte ich DAS direkte unmittelbare Gefühl, ein Teil des Universums zu sein, haben, dann beobachte ich visuell. Ich muss mir aber darüber im klaren sein, dass ich mit einer „ollen“ Zeichnung oder einer Erzählung nur wenig Bühne im Umfeld meiner Nächsten bekomme.
Möchte ich mein Umfeld aber davon überzeugen was ich für die Astronomie empfinde, dann brauche ich die digitale Astrofotografie. Selbst wenn ich selber für das Objekt nur sehr geringe Emotionen verspürt habe.
Perfekt wäre ein Gerät das beides verbinden könnte! Das während ich beobachte, ein digitales Abbild meiner Emotionen zeigen könnte.

CS, Dimi

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